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Didaktische Überlegungen

Hören – Erleben – Verstehen

Unser Gehör können wir nicht abschalten, unser Hörsinn ist rund um die Uhr auf Empfang. Sicher: im Schlaf hören wir vieles, das um uns herum passiert nicht mehr, aber „zu“, so wie die Augen und der Mund, sind unsere Ohren nicht. Unser Gehirn und unser Gehörsinn scheinen ganz im Gegenteil besonders empfänglich zu sein für unbewusst wahrgenommene Geräusche, Töne und Melodien. Wer in den Schlaf gesungen wird, wird auch im Halbschlaf und vielleicht sogar im Schlaf noch das sanfte Lied hören, wer einmal ohnmächtig war, weiß, wie sehr sich das Gehörte in dieser Situation ins Gedächtnis brennen kann, wer einmal in den Bergen spazieren war, hat erlebt, wie man plötzlich die Stille entdeckt und sich dann erst bewusst wird, was man alles sonst so hört und hören muss.

Wir müssen also den ganzen Tag über und auch phasenweise in der Nacht hören. In der Geschichte der Menschheit ist dies sicher von Vorteil gewesen, denn im Schlaf die Warnungen seiner Mitmenschen, die Klagelaute des Kindes oder die bedrohlichen Tiergeräusche in der Nähe zu hören, sicherte in dem einen oder anderen Fall das Überleben. Unser Hörsinn ist aber nicht nur ein Wahrnehmungskanal, über den wir die Umwelt erleben und bewerten, er ist auch die Voraussetzung für Kommunikation und Vergemeinschaftung. Ohne den Hörsinn könnten wir keine Sprache, keine Symbole, keine der heute existierenden Kulturen entwickelt haben: Ein Baby schläft am allerbesten, wenn in seiner Nähe leise, beruhigende Stimmen erklingen; wir fühlen uns in Anwesenheit anderer Menschen, die ruhig miteinander sprechen, wohl; Klänge, Musik und die gesprochene Sprache haben sich über Jahrtausende immer weiter zu sehr differenzierten Systemen von kulturellen Bedeutungen entwickelt und der Mensch mit ihnen.

Anders als über das Auge nehmen wir nicht flächig und „mit einem Mal“ wahr, sondern in Raum und Zeit in Folge. Das, was wir hören wird erst in Kombination mit unseren bisherigen Erfahrungen, im Zusammenspiel unterschiedlichster Gehirnregionen zu einem Klangbild oder zu einer Folge von Geschehnissen. Ein lauter Knall erschrickt uns nicht allein, weil das feine Organ im Ohr empfindlich berührt wird, sondern auch deshalb, weil wir uns sofort ausmalen, was für ein Unglück passiert sein könnte. Mit dem, was wir hören, können wir in unserem Gehirn, mittels unserer Erinnerungen und bisherigen Erfahrungen einen eigenen Film machen.

Genau dies geschieht ja auch beim Lesen, das für den Leseanfänger immer auch ein Hören des Gelesenen bedeutet. Erst mit den Jahren und der Routine lernt der Mensch, still zu lesen und nicht fortwährend im Kopf mit zu lautieren, was man liest. Das Gehör braucht man erst dann wieder, wenn man den Sinn eines Textes nicht sogleich entschlüsseln kann und sich laut-leise vorliest, was da geschrieben steht. Dieses tatsächliche oder aber auch nur im Kopf Miterzeugen eines Lautes, eines Wortklangs kennt man auch, wenn man an den typischen Tonfall eines Menschen oder an einen besonderen Ausspruch denkt.

Ein Großteil unseres alltäglichen und unbewussten Erlebens hängt also von Geräuschen, Tönen und sprachlicher Erfahrung ab. Dieses Erleben ist in der Erinnerung fest verwoben mit Situationen, Gefühlen und Gedanken. Das Verstehen des Gehörten beginnt dann, wenn wir Muster erworben haben, wenn das, was wir hören, eingeordnet oder zugeordnet werden kann. Gleichwohl sind wir vor allem Verstehen bereits über den Hörsinn zu beeinflussen. Die Literatur- und Kulturgeschichte erzählt einige solcher Beeinflussungslegenden: Odysseus auf dem Meer, der Rattenfänger von Hameln, das Lied vom traurigen Sonntag (Gloomy Sunday) usw. Diese in Legenden gebannte Furcht vor der auditiven Verlockung spielt auch im Alltag eine durchaus wirtschaftlich interessante Rolle (Sound-Branding).

Unser Sehsinn scheint unsere Orientierung alltäglich zu dominieren, aber über unser Gehör werden wir bewusst und unbewusst vielmehr gesteuert, beeinflusst und alltäglich gestimmt. Melodien und Klänge können auf verletzte Seelen heilsam wirken, Gespräche können uns beruhigen oder ängstigen, Krach kann uns dauerhaft krankmachen. Weil also das Gehör, unser Gehörsinn so ein mächtiger Sinn ist, der in der Filmkunst, der Musik, der Werbung, den alltäglichen Konsumwelten unser Dasein mitbestimmt und über Zugehörigkeiten zu Lebensstilen und sozialen Gruppen mitentscheidet, kann das Hören in Biologie, Naturwissenschaften, Geschichte, Sozialkunde, Gesellschaftslehre, Philosophie und in Musik zum Thema gemacht werden und immer wird es nicht nur um die Frage des subjektiven Erlebens von Tönen, Klängen und Melodien gehen müssen, sondern auch um die Frage, wie werden Töne, Klänge und Melodien in verschiedenen kulturellen Zusammenhängen eingesetzt und verstanden.

Arbeit mit den Unterrichtsthemen

Die Erarbeitung der Themenschwerpunkte

  • Die Macht der Töne
  • Massenmedium des Hörens: Radio
  • Der Sound macht das Bild
  • Die Welt der Klänge

im Unterricht, an Projekttagen oder -wochen oder in Arbeitsgemeinschaften kann und sollte deshalb immer

  1. auf die subjektive Wahrnehmungs- und Bedeutungsebene einerseits und
  2. die kulturelle Verstehens- und Sinnebene andererseits

Bezug genommen werden.

Die Unterrichtsvorschläge zur Erarbeitung der Themen im Unterricht und die Materialien (Arbeitsblätter, Vorlagen, Audios) bieten Möglichkeiten auf beiden Ebenen an und sollen das bewusste Erleben und das systematische Verstehen unserer gehörten Welt gleichermaßen ermöglichen.

Zu den verschiedenen Unterrichtsideen finden Sie allgemeine Vorbemerkungen in dem jeweiligen Kapitel und die entsprechenden Vorlagen, Aufgabenblätter, Videos und Audios ebenso. Auf eine Fächerzuordnung wurde grundsätzlich verzichtet, weil davon ausgegangen wurde, dass es zum Thema „Hören“ ganz unterschiedliche Fachzugänge geben kann. In einigen Fällen liegt eine Fachzuordnung nahe, sie ist entsprechend gekennzeichnet.